The Face of Another (1966)

Mit THE FACE OF ANOTHER geht es heute um eine bemerkenswerte Mischung aus Horror, Mystery und Drama vom japanischen Regisseur Hirochi Teshigahara. Dabei werden Fragen der Identität, die von manchen Menschen mit dem äußeren Erscheinungsbild, also dem, wie andere Menschen einen wahrnehmen, gleichgesetzt wird, aufgeworfen.

The Face of Another (Hirochi Teshigahara, 1966)

Herr Okuyama (Tatsuya Nakadai) wurde bei einem Arbeitsunfall im Gesicht entstellt. Er kapselt sich in der Folge zunehmend von seiner Umwelt ab. Seiner Frau (Machiko Kyô) gegenüber verhält er sich feindselig. Dann offeriert ihm sein Psychotherapeut (Mikijirô Hira) einen Ausweg aus der Isolation. Er könnte ihm eine Hautprothese auf Grundlage der Gesichtsform eines anderen Menschen herstellen. Nach eingehender Diskussion nehmen sie den Eingriff vor. Doch Herr Okuyama nutzt sie dann nicht, um als er selbst zurück in die Gesellschaft zu finden, sondern führt von da an ein Doppelleben…

Faszinierend, beklemmend, anstrengend und an manchen Stellen sogar furchteinflößend präsentiert sich Hitoshi Teshigaharas Dark Drama. Es vereint Elemente des Horrorfilms, des Psychogramms und auch des Essayfilms miteinander. So kommen u.a. Elemente aus den klassischen Universal-Horrorfilmen zum Tragen. Zu erkennen sind Versatzstücke etwa aus DAS PHANTOM DER OPER (bezogen auf die Entstellung) und DER UNSICHTBARE (wo der Protagonist auch sein Gesicht in Mullbinden hüllen muss). Hinzu gesellen sich noch Motive aus Georges Franjus AUGEN OHNE GESICHT (1960). Dieser hantiert ja mit der Thematik, anderen Menschen das Gesicht quasi zu stehlen. In einem Aspekt, die Maske hält sich nur eine bestimmte Zeit, ähnelt er sogar DARKMAN (1990) von Sam Raimi.

Der entstellte Protagonist sucht durch ein neues Gesicht dem drohenden Verlust seiner Identität, die er an seinem Antlitz festmacht, entegegenzuwirken. Allerdings beginnt er unter der perfekten Maske ein Doppelleben und wird zu jemand gänzlich anderen. Im Laufe dieser Transformation verliert er sich zwischen diesen beiden Identitäten. Der Film schreitet dabei nur sehr langsam voran, Musik wird nur sporadisch eingesetzt und viele der Sets wirken höchst stilisiert, vor allem das Labor des Doktors, der den Protagonisten therapiert und seine Maske entwirft.

Der Doktor ist es auch, der die wichtigen Fragen diskutiert. Über Menschen ohne Bindung zu ihrem Äußeren und einer theoretischen Gesellschaft, die ihre Masken wie Kleidung wechseln könnte. Dazu gibt es zahlreiche Verweise an den zweiten Weltkrieg, z.B. eine Bar namens München, in dem der Protagonist gerne mal ein Bierchen trinkt. Dort gibt es deutsches Liedgut (über, was sonst, Entfremdung) zu hören. Genauso schallen manchmal Hitler-Reden im Hintergrund aus den Boxen.

In einem Subplot erzählt Teshigara dazu noch die Geschichte eines Mädchens, dessen linke Gesichtshälfte in Nagasaki verbrannt wurde. Sehen die Jungs auf der Straße nur ihre rechte Gesichtshälfte, flirten diese sie an. Zeigt sie aber ihre linke, verunstaltete, wenden sie sich von ihr ab und selbst Kinder haben Angst vor ihr. Hingegen zum Protagonisten in der hiervon strikt abgetrennten Hauptgeschichte ist sie noch in der Lage, sich in der Gesellschaft zu bewegen, sofern sie ihre linke Gesichtshälfte mit Haaren bedeckt hält. Doch Intimität bleibt ihr versagt.

Was beide Geschichten vereint, ist, dass sie unweigerlich in einer Katastrophe münden. Wobei in der Hauptgeschichte die Katastrophe letztlich eigentlich nur das alte Ich des Protagonisten betrifft, der zum Schluss innerlich zu einer Monströsität transformiert. Für geduldige Menschen erweist sich THE FACE OF ANOTHER als durchaus sehr sehenswert. Das Ende überrollt einen förmlich, ernüchternd aber gleichermaßen. Denn eigentlich hätte man wohl gerne gesehen, was ab jetzt geschehen würde. Ein reiner Horror- oder SF-Film hätte hiermit gerade mal den ersten Akt beendet.

In Deutschland ist dieses kleine Meisterwerk leider nie erschienen, die DVDs aus der Criterion Collection (er erschien in einer Teshigahara Box) sind leider schon oop. Es ist schwer zu hoffen, dass der großartige Film in nächster Zukunft endlich ein HD-Release erfährt.

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Author: Thomas Hortian

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