Dario Argentos zweiter Teil der Mütter-Trilogie ist so ein Film, über den eigentlich schon alles gesagt wurde. Aber irgendwie drängte es mich dazu, nach der heutigen erneuten Sichtung doch noch ein paar Worte dazu zu hinterlassen.
Nach dem Studium des Buches “The Three Mothers” scheint die Autorin Rose (Irene Miracle) einem dunklen Geheimnis auf der Spur, das sich in den Mauern ihrer Herberge, einem alten, pittoresken Appartmenthaus inmitten von New York, verbirgt. Sie schreibt ihren Bruder Mark (Leigh McCloskey), der in Rom Musik studiert. Doch ihr Brief landet bei seiner Kommilitonin Sara (Eleonora Giorgi), die aus einem unerklärlichen Drang heraus eine Bibliothek aufsucht und dort ebenfalls das Buch “The Three Mothers” entdeckt. Sie will es dort entwenden, doch ein geheimnisvoller Mann, der im Keller des Gebäudes lebt, wird auf sie aufmerksam. Als Mark abends den Brief bei ihr abholen will, findet er sie nur tot vor, von dem Brief sind nur Fetzen übrig. Kurz darauf trifft er in New York ein, jedoch ist Rose verschwunden. Nur ihre verschlossene Nachbarin Elise (Daria Nicolodi) scheint dies zu kümmern…
Diesen Film hatte mir einmal mein Vater von Premiere aufgenommen, natürlich in einer gekürzten deutschen Fassung. Damals konnte ich nicht besonders viel damit anfangen. Dann zogen einige Jahre ins Land, ich sah das erste Mal SUSPIRIA, auch gekürzt auf Arte. So richtig warm geworden mit dem Film bin ich aber erst bei der dritten Sichtung, hier hatte ich mir die Blu-ray von Arrow (im schönen Steelbook) besorgt. Genau wie sein Vorgänger und sowieso alle Argento-Filme profitiert FEUERTANZ – HORROR INFERNAL ganz gewaltig von der Präsentation in HD. Die kräftigen Farben, vornehmlich Blau und Rot, kommen hier gut zur Geltung. Auch die angsteinflößenden Schatten, die in allen Winkeln des Bildes vorherrschen, entfalten erst hier ihre Wirkung.
Mehr noch als SUSPIRIA spielt dieser Nachfolger mit den Extremen. Durch den gleichzeitigen Einsatz der verschiedenfarbigen Beleuchtung herrscht überall Zwielicht, und selbst dort, wo es hell ist, wirkt es verfremdet. Wenn in Szenen Stille herrscht, dringt von irgendwoher ein Raunen und Flüstern. Nirgendwo sind die Protagonisten (wenn man sie als solche überhaupt bezeichnen mag) allein. Und vor allem, nirgendwo ist es sicher. Es ist schon enervierend zu nennen, wie lange uns Argento von dem Haus in New York fernhält.
Wir folgen zwar zuerst Rose bei einem Tauchgang in die Katakomben unter dem Anwesen, doch dann rückt sie in weite Ferne. Eine ganze halbe Stunde verbringen wir in Rom, zuerst bei Mark im Hörsaal. Dann folgen wir Sara bei ihren kurzen Nachforschungen, die sie in den Tod führen. Dann übernimmt wieder Mark, der am Anfang im Hörsaal und hier am Ende dieses Szenenkomplexes der römischen Mutter Lachrymarum begegnet. Der Einstieg in den Albtraum, den FEUERTANZ – HORROR INFERNAL abbildet, beginnt bereits in Rom. Jetzt erst führt uns der Film mit dem vermeintlichen Helden Mark nach New York. Doch von da an verliert er sich immer mehr, die Handlung zerfasert allmählich.
Rose ist zu diesem Zeitpunkt schon tot, was Mark nicht weiß und im Folgenden eigentlich auch nicht selbst herausfindet. Denn kaum hat er eine Spur gefunden, nimmt Argento ihn erst einmal für einige Zeit aus der Handlung. Wir folgen darauf Elise, als Gräfin ein Relikt einer vergangenen Zeit, die in diesen Mauern quasi gefangen scheint. Bis jetzt könnte das Haus irgendwo sein, dass es sich in New York befindet, wird zu keiner Zeit von Argento irgendwie betont. Wenn dann der Buchhändler, von dem Rose “The Three Mothers” bekommen hat, kurz darauf in die Nacht geht, um einige Katzen im Fluss zu ersäufen, baut sich die Großstadtkulisse mächtig, aber unwirklich hinter ihm auf. Dieser Bildaufbau ist so entrückt, dass der Buchhändler beinahe wie eine Stop-Motion-Puppe wirkt.
Es liegt ein merkwürdiger Zauber über allen Bildern, alles wirkt künstlich, wir befinden uns durchweg in einer Traumwelt. Es gibt keinen sicheren Hafen mehr, weder für die Protagonisten (wie gesagt, sehr viel Handlungsspielraum haben sie nicht, es ist eher ein Traumwandeln), noch den Zuschauer. Wenn Bewegung in die Sache kommt, wird dies vom fantastischen Score passend untermalt, wenn mal Ruhe herrscht, ist es trügerisch, wie das Raunen und Flüstern weiteres Unheil prophezeit. Und Argento hält dies durch bis zum infernalischen Finale, gibt zu keiner Sekunde nach, doch dem Zuschauer Raum zu geben, einen Grund mitzufiebern. Am Anfang waren wir bei Rose, als sie ins Wasser tauchte, bei Mark im Hörsaal und mit Sara in der Bibliothek und in ihrem Appartment, wo sie ermordet wird. Doch in New York gibt es keine Nähe, nur mehr Desorientierung.
Und da sind wir bei meinem Problem mit FEUERTANZ – HORROR INFERNAL. Sobald er uns von den Protagonisten löst und uns in den Albtraum stößt, wir nur noch durch das Haus in New York taumeln, nimmt die innere Spannung bei mir ab. Sie weicht einer nicht zu leugnenden Faszination, und es macht auch immer wieder Spaß sich von da an satt zu sehen. Denn Argento brennt ein audiovisuelles Feuerwerk ab, das eben nicht wie bei SUSPIRIA noch durch einige mäßige Gore-Effekte gestört wird. Hier geht alles Hand in Hand in meisterlicher Perfektion. Dennoch gibt es sich gefühlskalt und seltsam unnahbar.
Ich bevorzuge halt das interaktive Erleben, die Identifikation mit einer anderen Person, wie eben Jessica Harper als Suzy, die ihre Gefühle auf mich überträgt. Das Erleben von FEUERTANZ – HORROR INFERNAL gestaltet sich ungleich abstrakter. Wir lernen keine der Personen dort wirklich kennen, sie sind Musikstudenten, Autoren oder Relikte einer vergangenen Zeit, nicht mehr. Das ist, wie gesagt, ohne Zweifel faszinierend, aber nicht mitreißend. Das ist mehr Kunst als Kino, und sicher ist das auch so von Argento gewollt. Am Ende spricht es nämlich Mater Tenebrarum selbst aus:
Wir sind das, was die Menschen am meisten fürchten, wir sind der Tod!
Und dann scheint es vollkommen unwichtig für sie, ob das Haus nun niederbrennt und ob Mark darin umkommt oder auch nicht. Es war nie Sinn und Zweck der Übung, dass Mark die Hexe “besiegt” oder wir um sein Leben bangen. Und es war für Argento auch anscheinend nie wichtig, den Zuschauer zu führen, zu faszinieren oder gar das Fürchten zu lehren. Denn, so denke ich, für uns hat der Meister den Film nicht gedreht, sondern als allererstes für sich selbst.
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