Der Todesengel (1971)

Es geht heute um den Tod in Venedig, jedoch nicht im Sinne von Thomas Mann; DER TODESENGEL spielt mit den Erwartungen der Zuschauer und lässt die Grachten-Stadt dabei eindrücklich für sich sprechen.

Der Todesengel (Mauricio Lucidi, 1971)

Der exzentrische Graf Matteo Tiepolo (Pierre Clémenti) schlägt dem unglücklich verheirateten Playboy Stefano (Tomas Milian) vor, dass er seine Frau Luisa beseitigen würde, wenn dieser im Gegenzug seinen Bruder tötet. Als Luisa dann tatsächlich ermordet wird, weigert sich Stefano seinen Teil zu erfüllen, gerät aber immer weiter ins Visier der Ermittlungen der Polizei…

Mauricio Lucidi schuf hier eine ganz eigene, geradezu poetische Version von Highsmiths STRANGERS ON A TRAIN. Seine Vision erweitert deren Geschichte geschickt um die perfide Manipulation des Grafen Matteo als treibende Kraft hinter dem einseitigen Komplott Es gibt hier nicht den “Guten” und den “Psychopathen”, Stefano ist selbst eine verkommene Gestalt, ein Müßiggänger, der den Unwillen seiner Frau, ihm das Geld aus dem Verkauf seiner Werbe-Agentur, die eigentlich ihr gehört, zu überlassen, um mit seiner Geliebten Fabienne ein neues Leben beginnen zu können. Trotzdem will er nicht auf den Deal mit Matteo eingehen, denn er macht sich nicht gerne die Hände schmutzig. Moralische Skrupel sind eher der letzte Grund, der ihn davon abhält, auf den Handel einzugehen. Matteo treibt ihn seinerseits immer weiter in die Enge, und als Luisa dann tot ist, scheint ein neues Leben sogar noch weiter in die Ferne gerückt.

Venedig ist in DER TODESENGEL zwar nicht der einzige Handlungsort, aber der durchaus entscheidende. Die Stadt scheint von jeher eine vom übrigen Italien abgespaltene Enklave des aus der Gesellschaft langsam entschwindenden Adels. Genauso wie dieser gilt die Architektur als überholt und innerlich ausgehöhlt. Das pittoreske Urlaubsmotiv zieht jedes Jahr tausende Touristen dorthin und bringt die zerbrechliche Stadt weiter aus dem Gleichgewicht. Der Tod scheint stets ihr schleichender Begleiter zu sein.

Es ist spannend mit anzusehen, wie Stefano sich wie eine Ratte im von Matteo entworfenen Labyrinth windet und versucht, nicht eben den von ihm vorgegebenen Weg zu nehmen, weil er genau weiß, wohin dieser ihn führt. Tomas Milian und der androgynen Pierre Clementi sind zwei hervorragende Darsteller, die die Geschichte mühelos tragen. Als Hintergrund für ihr erstes und ihr letztes Treffen ist passend das winterliche Venedig gewählt, das unter grauem Himmel schmutzig und verfallen wirkt, wie der von scheinbar angeborenen Krankheiten gezeichnete Matteo. Regie-Assistenz war hierbei übrigens Aldo Lado, der nur ein Jahr später mit THE CHILD – DIE STADT WIRD ZUM ALPTRAUM einen eigenen, ähnlich veranlagten Venedig-Film schuf.

Der italienische Thriller wird gerne auf das reduziert, was man international als Giallo definiert. Ich kann DER TODESENGEL nur jedem ans Herz legen, der sich auch darüber hinaus für altmodische Thriller-Kunst interessiert. Lucidis Film gibt sich an vielen Stellen betörend schön, trotz des Zerfalls und des Tods, der an jeder Ecke lauert. Und er ist, ohne Frage, auch sehr spannend inszeniert. In Deutschland ist er leider nur auf VHS und DVD erschienen, in einer dem Film nicht wirklich würdigen Bildqualität. Als Blu-ray gibt es den Film von Mondo Macabro aus den USA (regionfree). Eine deutsche Ausgabe ist allerdings noch nicht in Sicht.

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Author: Thomas Hortian

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