Die Rache der Kannibalen (1981)

Mit seinem dritten und letzten Kannibalenfilm verschob Umberto Lenzi 1981 die Messlatte für dargestellte Grausamkeiten nochmals ein Stück nach oben. In Sachen Intensität kam er damit an Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST freilich nicht heran, für ein ungutes Gefühl im Magen war der Film seinerzeit sicherlich dennoch gut.

Sadistische Junkies wüten am Amazonas

In New York wird ein Junkie (Dominic Raake) Oper einiger Drogengangster, die, wie Lt. Rizzo (Robert Kerman) herausfindet, eigentlich auf der Suche nach Mike Logan (Giovanni Lombardo Radice) sind, um Schulden einzutreiben. Doch Mike befindet sich derzeit mit Kumpel Joe (Walter Lucchini) am Amazonas, wo sie unter den Eingeborenen auf der Suche nach Gold sind. Sie treffen dort auf die Anthropologin Gloria (Lorraine De Selle), die mit ihrem Bruder Rudy (Danilo Mattei) und Freundin Pat (Zora Kerova) den Mythos des Kannibalismus widerlegen will. Doch Mike und Joe führen sie zu einem entlegenen Stamm, der einen Freund von ihnen getötet und gegessen haben soll. Die Geschichte entspricht nicht ganz der Wahrheit, doch die Eingeborenen erwarten sie schon…

Der Plot ist natürlich 08/15 und wird durch die Krimihandlung in New York nur auf spielfilmtaugliche Länge gestreckt. Die Haupthandlung am Amazonas stopft Lenzi dagegen voll mit einigen Widerlichkeiten, von denen viele schon im reißerischen deutschen Kinotrailer zu sehen sind. Anlass für die Gewaltorgie am Ende des Films gibt mal wieder das Verhalten der zivilisierten Eindringlinge in den Dschungel, hier vor allem der drogensüchtige und sadistische Mike. Er tischt den drei im Namen der Wissenschaft angereisten Freunden eine Räuberpistole von gemeingefährlichen Kannibalen auf, die sich erst im Umkehrschluss als wahr erweisen soll. Denn nach und nach erfahren wir, dass eben Mike sich im Dorf der wehrlosen Eingeborenen, deren Krieger sich gerade auf der Jagd befanden, wie ein Monster aufgeführt hat. Und als sie dorthin zurückkehren, erwartet sie nun DIE RACHE DER KANNIBALEN.

Rein erzählerisch zieht Lenzi das Ganze angenehm straight auf, wechselt immer mal wieder zwischen Dschungel und New York hin und her. Und obwohl der Subplot im Big Apple nur mehr bemüht wirkt, bildet er einen netten Kontrast zum Abenteuerpart, wird auch nie zu lange ausgewalzt, um wirklich zu langweilen. Allerdings kann man auch nicht behaupten, dass das Dschungel-Abenteuer auf der anderen Seite nun sehr viel gehaltvoller wäre. Lenzi sah sich genötigt, die Suche nach dem Kannibalenstamm immer wieder mit widerlichem Tiersnuff “aufzupeppen”, bevor dann zum Ende endlich die Effektkünstler zeigen dürfen, was in den Darstellern sonst noch alles so steckt. Hier gibt es dann auch die schon im Trailer angkündigten Sadismen zu bestaunen: an Nippeln aufgehängt, Schädeldecke weggeschlagen und Schniedelwutz ab.

Mehr als ein bisschen Räuber-&-Gendarm, ärgerliche Sadismen und rassistische Klischees kommt bei DIE RACHE DER KANNIBALEN inhaltlich nicht rum, und da trifft es sich gut, dass Giovanni Lombardo Radice als Darsteller des fiesen Mike ein durchaus begabter Alleinunterhalter ist. Aber der wäre damals in Anbetracht der fiesen Tierszenen beinahe vorzeitig vom Set abgehauen, verübeln mag ich ihm das nicht. Robert Kerman darf nach CANNIBAL HOLOCAUST und LEBENDIG GEFRESSEN mal in der New Yorker Heimat verweilen, vermag bis auf seinen Schnauzer auch nicht viel einzubringen. Auf der Habenseite ist auch noch die süße Zora Kerova zu verbuchen, deren Pat im Film mit Mike anbandelt, was sie bitter bereuen muss. Lorraine De Selle fällt leider eher als nervige Begleiterscheinung auf, es ist aber auch eine undankbare Rolle.

Das mag alles Anfang der 80er noch dazu gelangt haben, einen veritablen Schocker abzugeben. Aber mit ein bisschen Abstand betrachtet und der allgegenwärtigen Konkurrenz von Deodato im Hinterkopf erschöpft sich das Schockpotenzial in den widerwärtigen Tiersnuff-Szenen. Alles andere ist mittlerweile kalter Kaffee. Man muss aber zugeben, dass Umberto Lenzi hier weit sorgfältiger filmte als noch bei LEBENDIG GEFRESSEN und dies dann sogar recht flott montiert wurde, sodass keine Langeweile aufkommt. In den deutschen Kinos war DIE RACHE DER KANNIBALEN bei Handlungskürzungen von mehr als 5 Minuten sogar noch flotter unterwegs. Die Videoerstveröffentlichung von Arcade wurde 1983 indiziert, 1987 beschlagnahmt und 1988 sogar gerichtlich eingezogen.

Author: Thomas Hortian

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